Wenn man ein neues Bike kaufen möchte vergleicht man ja oft verschiedene Bikes miteinander, bevor man sich für ein Modell entscheidet. Maßgeblichen Anteil an der Entscheidung hat bei mir immer die Auswahl der verbauten Komponenten. Ich gehe oft so vor, dass ich festlege, wie hoch mein Budget ist und dann versuche, das in meinen Augen beste Bike innerhalb meiner Preisgrenze zu finden. Am Ende gehe ich aber oft einen Kompromiss ein, weil mir das Bike mit den hochwertigsten Anbauteilen zu kostspielig ist oder die Möglichkeit der Individualisierung von herstellerseitig konfigurierten Modellen nicht besteht.
So war das auch bei meinem Trekkingrad, das Stevens vom Werk aus mit Shimano Deore Scheibenbremsen ausgestattet hat. Ich habe nach dem Kauf des Bikes schon einige Komponenten ersetzt, die ich mir bei einer individuellen Zusammenstellung nicht ausgesucht hätte. Durch den Tausche der Bremsanlage wollte ich den letzten Schmerzpunkt beseitigen, den ich mit der herstellerseitigen Ausstattung noch hatte. Natürlich ist es etwas überzogen, die Shimano Deore Bremsen an meinem Trekkingrad als „Schmerzpunkt“ zu bezeichnen. Denn sie wären vermutlich jederzeit dazu in der Lage, das Rad inkl. mir als Fahrer abzubremsen – und das auch absolut zuverlässig und ausreichend. Die Liste meiner Wunsch-Komponenten wird jedoch nicht nur durch davon beeinflusst, was sinnvoll für den Anwendungsbereich ist. Bei mir spielt auch noch mit rein, das ich oft darüber nachdenke, was ich alles an meinen Rädern verbessern könnte – und etwas verbessern kann man ja fast immer.
Hersteller müssen zwischen ihren verschiedenen Modellen sinnvolle Abstufungen bei der Auswahl der eingesetzten Komponenten vornehmen. Nur so können sie zu den Preisvorstellungen von verschiedenen Fahrern die passenden Bikes anzubieten. trotzdem komme ich nicht so recht damit zurecht, wenn an einem 3000 EUR Fahrrad nicht mindestens ein vergleichbar hochwertiges Bremssystem wie die Shimano Deore XT Bremse montiert wurde. Besonders auffällig wird es in dem Segment der E-Bikes, die oftmals nur noch mit Shimano BR-MT200 oder BR-MT400 Scheibenbremsen ausgestattet sind. Da Bremsen ein Sicherheitsrelevantes Bauteil sind finde ich das schon bedenklich.
Wie auch immer – ich wollte an meinem Trekkingrad hochwertigere Bremsen haben und entschied mich für die 4-Kolben Bremssättel aus der Shimano Deore XT Serie mit den passenden 3 Finger Bremshebeln für Trekkingräder.
Im Grunde funktioniert der Wechsel bei fast allen Fahrrad-Modellen auf die gleiche Art und Weise. Und weil es bereits sehr viele Anleitungen und Tutorials darüber gibt, wie die notwendigen Arbeiten am Bike durchzuführen sind, habe ich mich dagegen entschieden, noch eine weitere Anleitung zu schreiben und hier zu posten. Stattdessen möchte ich über meine Erfahrungen berichten, die ich beim Wechsel des Bremssystems gemacht habe und natürlich auch, ob er sich am Ende gelohnt hat und wie teuer das Ganze war.
Ausgangssituation
Wie bereits beschrieben, waren an meinem Stevens C12 lite Trekkingrad Shimano Deore BR-M6000 Bremssättel mit BL-M6000 3-Finger Bremshebeln montiert. Das Set für Vorder- und Hinterrad ist für 115,00 EUR zu bekommen. Wer diese verkaufen möchte bekommt auf den bekannten Auktionsplatformen in neuwertigem Zustand ca. 80 EUR dafür. Wenn man Ein- und Ausgaben miteinander verrechnet, kostet das Update somit um die 200 EUR für die Bremssättel Version mit 4-Kolben. Das ist für mich ein akzeptabler Aufpreis sofern sich am Ende bestätigt, dass sich durch das Upgrade die Bremsleistung stark verbessert.
Das Stevens Bike hat außen am Rahmen verlegte Züge. Das sieht zwar nicht so schön clean aus, wie bei Rahmen mit innenverlegten Zügen, dafür ist ein Wechsel der Züge oder Bremsschläuche bedeutend einfacher und geht entsprechend schneller von statten. Ein weiterer Vorteil ist, dass man bei der Demontage der gesamten Bremsanlage die Bremsleitungen nicht lösen muss. Man kann sie also im montagefertigen, entlüfteten Zustand weiterverkaufen, wenn man das möchte.
Obwohl der Wechsel der Bremsanlage aus meiner Sicht keine Raketenwissenschaft ist, möchte ich dennoch davor warnen, Veränderungen an sicherheitsrelevanten Teilen vorzunehmen. Wenn man keine Ahnung davon hat und nicht genau weiß was man tut, kann das auch ins Auge gehen. Wer sich sein Wissen auf Youtube angeeignet hat, sollte sich auch dessen bewußt sein und selbst einschätzen, ob man sich die Arbeiten zutraut oder nicht. Auf keinen Fall kann man am Ende jemand anderen dafür verantwortlich machen, wenn man solche Arbeiten nicht einer Fachwerkstatt überlassen hat. Wer sich trotzdem an den Wechsel herantrauen will, sollte sich mit dem Entlüften der Scheibenbremse vertraut machen. Das dürfte der schwierigste Arbeitsschritt sein, denn darüber hinaus sind nur noch ein paar Schrauben zu lösen und wieder anzuziehen. Das dürfte jeder draufhaben, der man regelmäßig an seinem Fahrrad schraubt.
Außerdem möchte ich noch erwähnen: Wer vorschnell die alten innenverlegten Leitungen aus dem Rahmen gezogen und kein spezielles Einziehwerkzeug zur Hand hat, kann sich schon mal darauf einstellen, dass die Montage der neuen Bremsleitung einige Zeit in Anspruch nehmen kann. Sofern man aber keine innenverlegten Züge hat, muss darüber kein weiterer Gedanke verloren werden.
Die Shimano XT Scheibenbremse
Shimano XT Bremsen fahre ich schon ewig. Sogar mein erstes Mountainbike hatte schon Shimano XT Bremsen. Ich habe daher bis auf ein paar Fahrten mit Avid Elixir Bremsen kaum Erfahrungen mit anderen Bremssystemen. Mit Shimano XT Bremsen kenne ich mich aber ziemlich gut aus und habe sie über viele Jahre als sehr zuverlässig und wartungsarm zu schätzen gelernt. Meine guten Erfahrungen damit waren sicher ausschlaggebend für die Entscheidung, diese auch wieder am Stevens C12 lite fahren zu wollen. Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen über den lokalen Bikeshop ist coronabedingt leider aktuell nicht gegeben, daher habe ich die neuen Bremsen Online bestellt. Die Preise dafür variieren um bis zu 40 EUR, außerdem auch die Verfügbarkeiten. Es lohnt sich also durchaus, das Angebot verschiedener Händler zu vergleichen.
Die 4-Kolben Bremsanlage ist im Set mit folgendem Lieferumfang zu bekommen:
- Shimano Deore XT BR-M8120 Bremssattel
- Shimano Deore XT BL-T8100 3-Finger Bremshebel
- Shimano Bremsleitung SM-BH90-SBM – vormontiert am Bremssattel
- Shimano Mineralöl – alle Komponenten des Sets sind befüllt
- Shimano Bremsbeläge N03A Resin mit Kühlrippen
- Bleed-Block & Spacer
- Befestigungschrauben für den Bremssattel (inkl. Schraubensicherung)
- Olive & Insert-Pin
- Schutzabdeckung für Leitungsbefestigung
- Begleitmaterial (Montagehinweise)
Bremsenvergleich
Welche Unterschiede gibt es eigentlich zwischen Shimano Deore und Shimano Deore XT?
Grundsätzlich ist es etwas unfair, einen 2 Kolben Bremssattel mit einem 4 Kolben Bremssattel zu vergleichen. Vor allem, da es die Shimano Deore Bremse mit dem Modell BR-M6100 auch als 4 Kolben Version gibt. Allerdings hab ich diese Bremse herstellerseitig noch nie an einem Fahrrad verbaut gesehen, immer nur das 2 Kolben Modell. Es ist daher wahrscheinlicher, diese Bremse gegen eine Hochwertigere ersetzen zu wollen. Was die BR-M8120 gegenüber dem BR-M6000 Bremssattel für Vorteile bietet, zeigt die folgende Gegenüberstellung:
Shimano Deore BR-M6000
- Modell-Nr.: BR-M6000
- Serie: Deore M6000 Gruppe
- Farbe: schwarz, silber
- Bremsleitung: SM-BH90-SS
- Leitungsverbindung: gerade
- Öl: Shimano Mineral Öl
- Entlüftung: Einweg Entlüftung
- Bremsbelag: G03S Kunstharz
- Kühlung: ICE TECHNOLOGIES kompatibel
- Anzahl Kolben: 2 Kolben
- Bremsbelagaufnahme: Edelstahlsplint
- Gewicht: 285g (gesamtes Bremssystem)
Shimano Deore XT BR-M8100
- Modell-Nr.: BR-M8120
- Serie: Deore M8100 Gruppe
- Farbe: Serienfarbe
- Bremsleitung: SM-BH90-SBM
- Leitungsverbindung: Banjo
- Öl: Shimano Mineral Öl
- Entlüftung: Einweg Entlüftung
- Bremsbelag: N03A Kunstharz mit Kühlrippe
- Kühlung: ICE TECHNOLOGIES
- Anzahl Kolben: 4 Kolben
- Bremsbelagaufnahme: Bremsbelagachse
- Gewicht: 410g (gesamtes Bremssystem)
Der Hauptsächliche Unterschied der Shimano Deore XT Bremse ist die schnellere und höhere Kraftübertragung. Durch die 2 zusätzlichen Kolben wirken die Kräfte zudem gleichmäßiger auf der gesamten Auflagefläche des Bremsbelages. Auf die Frage, wie sehr sich das auf die Bremskraft auswirkt, gehe ich im Fazit noch ein.
Der Deore Bremssattel hat einen geraden Bremsleitungs-Anschluss, während die Richtung des Anschlusses des Deore XT Bremssattels angepasst werden kann um die Bremsleitung bestmöglich am oder im Rahmen verlegen zu können. Das kann unter Umständen ein Vorteil sein, allerdings kenne ich bislang nur Rahmen bei denen die Zuführung der Bremsleitung zur Bremse gerade verläuft. Eine Anpassung der Zuführung wird daher nur sehr selten erforderlich bzw. sinnvoll sein.
Nicht außer Acht zu lassen ist auf jeden Fall die bessere Optik des Deore XT Bremssattels. Er ist hochglänzend in dunkel-grau metallic lackiert und hebt sich dadurch deutlich mehr an schwarzen Fahrradrahmen ab, wie die schwarz lackierte Deore Bremse. Das zwei zusätzliche Kolben eingebaut sind, kann man dem Gehäuse des Bremssattels äußerlich ansehen, wodurch die Bremse insgesamt wuchtiger wirkt. Den letzten Schliff geben dann die Bremsbeläge, die bei der Deore XT Bremse bereits Kühlrippen besitzen. Allerdings gibt es auch für den Deore Bremssattel passende Beläge mit Kühlrippen. Diese verbessern die Optik auch an der einfacheren Bremse nicht unerheblich.
Ein paar Worte möchte ich noch zu den Unterschieden der Bremshebel verlieren. Die ursprünglich an meinem Rad verbauten, BL-T6000 3 Finger Bremshebel wurden durch den Umbau ja ebenfalls durch die entsprechenden Hebel der 8100er Produktserie, nämlich den BL-T8100 Bremshebeln ersetzt. Die Unterschiede sind aber wirklich kaum der Rede wert. Der Deore XT Hebel ist geringfügig leichter. Ansonsten lesen sich die Spezifikationen fast identisch. Beide Hebel besitzen I-SPEC-II kompatible Befestigungsschellen, und besitzen eine Schraube, mit sich die Griffweite werkzeuglos einstellen läßt. Die 3-Finger Version des Deore XT Hebels bietet nicht die Möglichkeit den Leerhub zu verändern, so wie es bei dem 2-Finger Hebel BL-M8100 der Fall ist. Unterschiedlich zu den Bremshebeln der 6000er Serie wurde der BL-T8100 für die Verwendung mit dem 4-Kolben Bremssattel optimiert, so dass er mehr Kraft aufbringt um die 4 Bremskolben gegen die Bremsscheibe zu pressen.
Wenn alles funktioniert hat, sollte das Endergebnis so wie auf den folgenden Bildern aussehen. Bei allen Scheibenbremsen ist wichtig, die Bremsbeläge zunächst einzubremsen. Dadurch erhöht sich die Bremswirkung noch mal deutlich. Das Einbremsen funktioniert so, dass man ca. 20 Mal aus normalem Fahrtempo bis zur Schrittgeschwindigkeit herunterbremst. Anschließend sollten die Beläge auf Temperatur sein und ihre erste Abnutzung erfahren haben.
1. Fazit:
Leider konnte ich noch keine lange Tour mit den neuen Bremsen fahren. Ich konnte bisher gerade mal die Beläge einbremsen und mir einen ersten Eindruck verschaffen. Zu einem späteren Zeitpunkt bzw. wenn ich häufiger damit gefahren bin, werde ich dieses Fazit weiter ergänzen.
Ich kann aber jetzt schon sagen, dass die Bremswirkung erheblich hoher ist, als mit der originalen Shimano Deore Bremse. Vermutlich wird man auch mit der 2 Kolben Version am Trekkingrad gut auskommen. Die 4-Kolben Bremse wurde ja eigentlich für schwere Räder wie z.B. E-Bikes mit Gewichten zwischen 20-30 kg entwickelt. Trotzdem läßt sich die Bremskraft auch für mein Rad gut dosieren. Ein Fehlkauf war es daher nicht. Das Bremssystem ist aber leistungsfähiger, als es nötig wäre.