Wie bereits angekündigt waren wir, d.h. ich und mein Schwager Mario am vergangenen Wochenende in Biel in der Schweiz, um dort im Rahmen der Bieler Lauftage 2013 am 100 km Ultra-Marathonlauf teilzunehmen. Für Mario war das nichts Neues, er hat bereits zweimal teilgenommen und wußte daher worauf er sich einläßt. Für mich war es das erste Mal, allerdings ging ich nicht als Läufer an den Start sondern als Mario’s Fahrradbegleitung oder auch „Coach“, wie man in Biel liebevoll genannt wird. Die besondere Herausforderung bestand für mich vor allem in der Zeit, die ich in Schrittgeschwindigkeit neben Mario herfahren werde, dazu kommt noch, dass die Hälfte der Strecke bei Nacht gefahren wird. Neben der Dunkelheit kann es nachts auch empfinglich kalt werden, es ist also ratsam mindestens einen waremen Pullover zusätzlich mit auf die Strecke zu nehmen.
Das folgende Video enthält einen kurzen Zusammenschnitt des Laufes. Enthalten sind einige der Teilstrecken, die bei Tageslicht zu laufen waren, ansonsten wär das Video auch viel zu lang geworden:
Um möglichst viel mit dem Bike transportieren zu können, habe ich mein Mountainbike mit Sattelstützen-Gepäckträger und Fahrradtaschen bestückt. Wie das aussieht, habe ich bereits in der Vorbereitung auf die gepostet. Wie sich am Ende herausgestellt hat, waren beide Taschen prall mit Dingen gefüllt, die wir auf dieser Tour als unverzichtbar angesehen haben. Die meisten anderen „Coaches“ hatten viel weniger Gepäck dabei und für den Transport einen simplen Fahrradkorb montiert. Dadurch haben sie alles direkt im Zugriff und müssen nicht dauernd die Fahrradtaschen auf und zu machen. Keine schlechte Idee aber auch nur wenig Platz für Regenbekleidung, Wechselwäsche, ein zweites Paar Laufschuhe usw.
Nachdem wir alles im Auto verstaut hatten, machten wir uns gegen 11:00 Uhr auf den Weg in die Schweiz. Biel ist ca. 650 km entfernt, so dass wir zum Abend vor Ort sein sollten. Genügend Zeit um die Startunterlagen abzuholen, sich vorzubereiten und um 22:00 Uhr an der Startlinie zu stehen. Zu unserer Überraschung starteten die Coaches bereits eine halbe Stunde früher als die Läufergruppe. Nach einer kurzen Einweisung, die allerdings akustisch nicht zu verstehen war, setzten sich die ca. 300 Fahrradfahrer in Bewegung und fuhren von einer Polizei-Eskorte begleitet in das ca. 11 km entfernte Lyss, wo später die Läufer wieder auf Ihre Coaches treffen sollten.
Die Läufer starteten pünktlich um 22:00 Uhr, drehten zuerst eine Runde durch die Bieler Innenstadt und machen sich dann ebenfalls auf den Weg nach Lyss. Es wurde jedoch nicht der direkte Weg gelaufen, den die Coaches auch mit dem Rad zurückgelegt hatten. Die Laufstrecke war ungefähr doppelt so lang so dass in Lyss bereits 23 km auf der Uhr standen. In der Zwischenzeit lernten sich die Fahrradcoaches etwas kennen während Sie die Wartezeit mit der Einen oder Anderen Unterhaltung überbrückten. Um 23:15 Uhr erreichte der erste Läufer den Treffpunkt in Lyss, ihm folgten in regelmäßigen Abständen dann weitere Läufer, die durch das Rhythmische Klatschen der Fahrradcoaches begrüßt und angefeuert wurden. Nach gefühlten 1,5 Stunden „Durchklatschen“ traf auch Mario in Lyss ein und wir beide machten uns auf den Weg auf die verbleibenden 77 km.
Die Nacht war sternenklar und relativ mild bei Temperaturen um die 10-12°C. Die Streckenführung war bestens und vor allem nachttauglich beschildert. Blinkende LED Lichter und Taschenlampen beleuchteten jedes Schild, weiterhin war der richtige Weg z.B. an Kreutzungen mit Flatterband „eingerahmt“, es war also fast unmöglich, sich in der Nacht zu verlaufen. Dafür an dieser Stelle ein großes Lob, denn mitten in der Nacht in der Schweiz alleine in einem dunkelen Wald zu stehen und den Weg nicht zu finden wäre ja nicht so toll.
Alle 6 km trafen wir auf üppig bestückte Verpflegungsstellen, die mit Bananen, Keksen, Brot, Energieriegeln und zahlreichen Getränken von einfachem Wasser über Cola bis hin zu warmer Gemüsebrühe alle Läufer und Coaches zufrieden stellen sollten.
Irgendwo in Nacht hatten dann auch die Marathon-Läufer Ihr Ziel erreicht. Das war eher unspektakulär, ein paar Zuschauer haben geklatscht und die Läufer haben sich gegenseitig zu dem Erreichen der Marathon Distanz gratuliert – das war es dann aber auch. Hauptaugenmerk hat bei diesem Lauf eindeutig die 100km Distanz, egal ob man sie alleine oder als Staffel läuft. Mario klagte zu diesem Zeitpunkt vereinzelt über Schmerzen, hätte mich ansonsten auch gewundert – bei meinen eigenen Marathon Läufen traten die Schmerzen in den Beinen schon wesentlich früher ein. In den frühen Morgenstunden war dann die 50 km Marke erreicht und damit hatten wir die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht.
Bei Kilometer 56 bot sich den Läufern die Chance, den Lauf abzubrechen und sich von einem Shuttlebus wieder zum Start nach Biel bringen zu lassen. Mario prognostizierte bereits, dass es auf Grund der schmerzenen Beine sehr hart für ihn werden würde, dennoch entschied er sich dazu, weiterzulaufen. Die nächsten Kilomenter waren für die Fahrradcoaches zu eng, daher wurden sie auf einer Umgehungsstraße um den Emmendamm geführt und trafen kurz bei Gerlafingen wieder auf die Laufstrecke. Viele der Radfahrer nutzen die Zeit bis zur Ankunft der Läufer um den sehenswerten Sonnenaufgang zu beobachten.
Bis zu den Mittagstunden wurde es durch die ansteigende Temperatur immer anstregender, darüber hinaus kämpfte Mario gegen die stärker werden Schmerzen in den Beinen an, konnte sich am Ende aber dagegen behaupten und erreichte den Zieleinlauf durch das Festzelt nach einer Zeit von insgesamt 14 Stunden und 5 Minuten. Auch auf diesem Weg nochmal herzlichen Glückwunsch an Mario zu dieser Leistung! Natürlich freue ich mich, ebenfalls die Distanz und die 14 Stunden im Fahrradsattel hinter mich gebracht zu haben, als Fahradbegleiter war die Anstrengung aber wesentlich geringer. Auf dem Rad würde ich jederzeit wieder an den Start gehen.
Ich ziehe meinen Hut! Ganz großes Tennis!