Ich habe mir ein Gravel Bike gekauft. Als ich im Juli für ein paar Wochen das Waldwiesel von Urwahn Bikes testen durfte, bin ich auf den Geschmack gekommen. Nachdem ich mangels regelmäßiger Nutzung mein Rennrad verkauft habe, bin ich zuletzt fast nur noch mit meinem Trekkingbike gefahren. Die Radwege in unserer Gegend sind vielfach leider nicht sehr gut befahrbar. Das war auch der Grund, weshalb mein Rennrad kaum noch zum Einsatz kam. Die meisten Rennradfahrer ziehen die Radwege hier gar nicht erst in Betracht und fahren direkt auf der Straße. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin habe ich kein Problem damit, Rennradfahrer zu überholen oder auch mal eine Weile hinter ihnen herzufahren. Viele Autofahrer regen sich aber darüber auf, daher kam ich immer etwas unwohl vor, wenn ich neben dem benutzungspflichtigen Radweg auf der Straße gefahren bin. Konfrontationen mit Autofahrern kennen die meisten Radfahrer vermutlich gut und manche lassen sich sicherlich auch zu Diskussionen hinreißen. Der Typ bin ich eher nicht, vielmehr versuche ich im Straßenverkehr möglichst rücksichtsvoll zu sein – das fand ich auf Rennradtouren manchmal schwierig.
Das Gravel Bike verbindet für mich die Vorteile eines Rennrads, mit denen eines Trekking- oder sogar Mountain Bikes. Ich kann damit schneller fahren als mit meinen anderen Bikes, bin aber trotzdem komfortabel unterwegs und kann problemlos über schlechte Radwege oder Schotterstrecken hinweg fahren.
Bei der Auswahl des für mich richtigen Bikes hab ich auf auf die folgenden Punkte geachtet:
- Preislich unterhalb von 3000 EUR (das Limit habe ich mir gesetzt)
- Nach Möglichkeit sollte es einen Carbonrahmen haben, darauf hätte ich zu Gunsten des Preises aber auch verzichtet
- Sitzposition mehr komfortabel als sportlich
- Ansprechende, eher dezente Optik
- Kurze Lieferzeit – ich wollte schon im Sommer damit fahren
Bei der Firma S-Tec Sports im Schermbeck bin ich nach kurzer Zeit fündig geworden. Ich habe mich für das Jena von Wilier Tristina entschieden. In dem folgenden Beitrag werde ich es im Detail vorstellen und von Zeit zu Zeit den Post auch um meine Erfahrungen damit ergänzen.
Rahmen und Lackierung
Wilier hat am Jena einen Carbon Monocoque 60Ton Rahmen – so nennen sie ihn – verbaut. Diesen gibt es in verschiedenen Farbkombinationen. Am besten hat es mir in der Farbe blau / rot matt gefallen. In der für mich benötigten Rahmenhöhe war es allerdings nur noch in der Farbe grau / blau glänzend verfügbar. Wenn einem die Lieferzeit wichtig ist, muss man Kompromisse eingehen. Ich fand das Bike in der Farbkombination auf den zweiten Blick aber auch ganz nett, daher war es eigentlich kein richtiger Kompromiss für mich. Das Grau ist ein metallic-Farbton. Zum Kontrast sind die Innenseiten des Rahmens in verschieden abgestuften Blautönen lackiert. Das Firmenlogo und einzelne Akzente sind gelb. Die Felgen sowie alle Anbauteile sind schwarz. Alles zusammen ergibt ein stimmiges Bild.
Passend zu meiner Körpergröße von 1,78m habe ich mir das Jena in der Größe M gekauft. Den Carbonrahmen finde ich außergewöhnlich schön. Die verschiedenen Formen der einzelnen Rahmenrohre und interessante Details machen ihn meiner Meinung nach optisch besonders ansprechend. Sicherlich ist Optik immer Geschmacksache und meistens gefällt es mir gar nicht so gut, wenn jedes Rohr eine andere Form hat. Beim Jena ist das aber gut gelungen – dadurch hebt es sich, wie ich finde positiv von vielen anderen Gravel Bikes ab.
Das Jena hat innenverlegte Züge und Bremsleitungen und sieht daher schön aufgeräumt aus. Vorne an der Gabel sowie am Unterrohr und dem Hinterbau sind verschiedene Schraubpunkte für die Montage von Schutzblechen oder Gepäckträgern vorgesehen. Ich finde etwas seltsam, das WiIier nur für die Flaschenhalter Schrauben mitliefert und alle anderen Gewinde einfach offen bleiben. Hier hätte ich mir einfach auch Schrauben oder wenigstens Blindstopfen zur Abdeckung der Löcher gewünscht. Naja, mein Fahrradhändler hat für mich netterweise Blindstopfen reingedreht, die ich allerdings schon kurz nach dem Kauf gegen Edelstahlschrauben ersetzt habe. Die Blindstopfen fand ich nicht schlecht, sie haben sich aber von alleine gelöst und wenn schon Gewindebuchsen im Rahmen stecken, kann man auch gleich Schrauben reindrehen finde ich.
Die Lackierung ist gut, sieht aber rund um einzelne Gewindestopfen etwas wellig aus. Ich habe erst befürchtet, ein Montagsmodell bekommen zu haben, auf der Eurobike habe ich aber einige Wilier Räder gesehen, unter anderem auch das Jena in einer anderen Farbe. Bei den Rädern war die Oberfläche der Lackierung genauso wellig. Das macht es nicht besser, es scheint bei diesem Rad aber wohl nochmal zu sein.
Die Geometrie des Carbon-Rahmens ist eher sportlich, d.h. die Sitzposition ist weniger gemütlich und eher „vortrieborientiert“. Durch die guten Dämpfungseigenschaften des Carbons, fährt sich das Jena trotzdem komfortabel. Für eine höhere Stabilität der Räder sorgen 12 mm Steckachsen.
Cockpit, Sattel und sonstige Anbauteile
Der Lenker wie auch der Vorbau und die Sattelstütze stammen aus dem Haus Ritchey und sind allesamt aus Aluminium. Der Comp ErgoMax Lenker ist ergonomisch geformt und hat im Bereich der Klemmung einen 10 mm Rise. Dadurch sorgt er für eine geringfügig aufrechtere Sitzposition. Auf dem Unterlenker hat er eine breite Handauflage und 4° Backsweep – er biegt sich also auf beiden Seiten der Vorbauklemmung leicht nach hinten und sorgt so für eine entspanntere Handposition. Wie bei den meisten Gravel Lenkern ist der Unterlenker nach außen ausgestellt. Das Flare ist mit 12° beim Ritchey Comp ErgoMax aber nicht so stark ausgeprägt, sondern eher moderat.
Der Ritchey Comp 4-Axix Vorbau hat eine Länge von 100 mm und eine Winkel von +/- 6°. Bei der Sattelstütze handelt es sich um die Ritchey Comp 2-Bolt V2 Alu. Die ist solide und mit der 2-Schrauben Klemmung in Bezug auf die Sattelposition gut einstellbar. Damit sich das Jena für mich etwas komfortabler fährt, habe ich den Vorbau durch dasselbe Modell mit einer Länge von 70 mm ersetzt.
An meinem Jena ist die Shimano 105 Gruppe verbaut, Dementsprechend gehören zum Cockpit die kombinierten Shimano 105 ST-R7020 Brems-Schalthebel. Der Lenker ist mit einem mattschwarzen Lenkerband mit schaumartiker Haptik umwickelt.
Mit dem Sattel musste ich mich erstmal anfreunden. Der Selle Italia Boost X3 Flow ist mit 25,5 x 16 cm ausgesprochen kompakt und macht auf den ersten Blick nicht gerade einen komfortablen Eindruck. Nach einigen Ausfahrten muss ich aber zugeben, dass er ganz gut funktioniert. Die Schale ist flexibel und passt sich den Bewegungen an. Die Auflage ist nicht zu hart und nicht zu weich – gerade so, das die Sitzknochen ausreichend unterstützt werden. Für Touren über 30 km würde ich aber auf jeden Fall zu einer Fahrradhose mit Sitzpolster raten.
Inzwischen habe ich ihn dann aber doch gegen den Ergon SR Allroad Core Pro ersetzt, mit dem ich noch besser zurecht komme.
Der Antrieb
Das Jena gibt es in zahlreichen Ausstattungs-Varianten. Vornehmlich aus Kostengründen und weil ich lange Lieferzeiten vermeiden wollte, habe ich mich für das Jena mit der Shimano 105 Gruppe entschieden. ich kenne die Komponenten bereits von meinem alten Rennrad und war damit immer zufrieden. Dementsprechend stammen der Umwerfer und das Schaltwerk, sowie die Kurbelgarnitur, Ritzelpaket und Kette aus der Shimano 105 Serie.
Bremsen
Die Bremsanlage besteht ebenfalls aus hydraulischen Scheibenbremsen der Shimano 105 Gruppe. Die bereits erwähnten ST-R7020 Brems-Schalthebel dosieren die Bremskraft, mit der die beiden BR R7070 Bremssättel auf die SM-RT70S Bremsscheiben einwirken. Diese haben vorne wie hinten einen Durchmesser von 160 mm und funktionieren super. Man hat beim Bremsen jederzeit das Gefühl, noch ausreichend Reserve zur Verfügung zu haben, um das Bike nötigenfalls schneller zum Stehen zu bringen.
Die 105er Bremsen sind von der Modellserie natürlich eher durchschnittlich. Dafür liefern sie für meinen Geschmack bereits ordentlich ab. An meinem alten Rose Pro-SL Rennrad hatte ich Felgenbremsen – zwischen diesen und den 105er Scheibenbremsen liegen Welten (bezogen auf die Bremskraft). Im Vergleich zu den BR-RX400 Bremssätteln der GRX 600 Gruppe, die ich schon mehrfach gefahren bin, bemerke ich fast keinen Unterschied.
Laufräder
Passend zur Shimano 105 Gruppe bzw. zu dem Versuch von Wilier, ein günstigeres Jena Modell anzubieten, sind die einfachsten Gravel Laufräder von Shimano verbaut – nämlich die WH-RS171. Ich war überrascht, das diese nicht Tubeless ready sind, da ich mich ehrlich gesagt davon im Vorfeld nicht vergewissert habe. Ich dachte ich dem Preissegment muss man sich darüber keine Gedanken mehr machen.
Zusätzlich haben sie Vittoria Trail Tech Graphene 2.0 Reifen mit einer Breite von 700 x 38c montiert. Die haben zwar einen tollen Pannenschutz, sind aber entsprechend schwer und haben meiner Meinung nach keine besonders guten Laufeigenschaften. Wenigstens wären sie Tubeless ready, was mir bei der Felgenkombination aber nicht viel nützt.
Ich habe daher sowohl die Laufräder als auch die Reifen getauscht und mich für DT-Swiss G1800 Spline in Verbindung mit Schwalbe G-One Reifen entschieden.
Technische Daten
Modellbezeichnung: Wilier Jena – Code E1165D7
Chassis
- Rahmen: JENA – CARBON MONOCOQUE 60TON
- Gabel: JENA – CARBON MONOCOQUE 60TON
- Steuersatz: FSA CUSTOM BEARINGS MR137
Antrieb
- Tretlager: SHIMANO PRESSFIT SM-BB71-41
- Kurbelgarnitur: SHIMANO 105 FC-R7000 50-34T
- Schaltwerk: SHIMANO 105 RD-R7000-SS
- Umwerfer: SHIMANO 105 FD-R7000
- Kassette: SHIMANO 105 CS-R7000 11-30T
- Kette: SHIMANO CN-HG600-11
Laufräder:
- Felgen / Naben: Shimano WH-RS171 CL-F12 -700C – ersetzt durch DT Swiss G 1800 Spline 25 DB
- Achsen: WILIER TRIESTINA 12 X 126 X P1,5 mm vorne / 12 X 171 X P1,5 mm hinten
- Reifen: CST PIKA 700X38 – ersetzt durch Schwalbe G-One 700x42c
Sonstige Anbauteile
- Lenker: RITCHEY ERGOMAX ROAD COMP
- Vorbau: RITCHEY COMP 4-AXIS 44 100 mm ersetzt durch 70 mm
- Sattel: SELLE ITALIA X3 BOOST ersetzt durch Ergon SR Allroad Core Pro Men
- Sattelstütze: RITCHEY COMP 2-BOLT V2 ALU
- Schalt-Bremshebel: SHIMANO 105 ST-R7020
- Bremssattel: SHIMANO 105 BR-R7070
- Bremsscheiben: SHIMANO 105 CENTER LOCK SM-RT70 160 MM
- Pedale: Crankbrothers Double Shot 3 Klick-/Plattformpedale
Daten
- Gewicht: 8,4 kg
- Farbe: J9 Grey / Blue Glossy
Zubehör
- Canyon RING Bar End Klingel
- Pro Discover Team Small Lenkertasche
- Garmin Varia RVR 315
- Garmin Varia Sattelstützenhalterung
- Wahoo Elemnt Roam
- K-Edge Vorbauhalterung verstellbar für Wahoo Elemnt
- Wahoo Fitness BLUE SC Trittfrequenz- und Geschwindigkeitssensor
- 2 x Fidlock Bike Base zur Trinkflaschenmontage
Erstes Fazit
Ich fahre das Bike ja jetzt schon ein paar Monate und muss sagen, dass es mir super viel Spaß macht. Ich nutze es bei längeren Touren am Wochenende aktuell ausschließlich und bin damit auch schon ein paar Mal ins Büro gependelt. Mit den zahlreichen Befestigungspunkten am Rahmen und der Gabel ist es auch für lange, mehrtägige Touren geeignet. Neben Taschen und Gepäckträgern lassen sich auch Schutzbleche montieren. Es ist dadurch super flexibel und für unterschiedliche Einsatzzwecke bestens geeignet.
Noch ein Hinweis zur Transparenz
Ich habe das Rad selbst erworben und stand bzgl. des Berichts nicht in Kontakt mit dem Hersteller Wilier Triestina. Der Bericht spiegelt einzig und allein meine Meinung und die Erfahrungen wieder, die ich mit dem Rad gemacht habe. Die Firma Wilier Triestina hat zu keiner Zeit Einfluss auf den Inhalt genommen, noch bin ich darum gebeten worden, diesen Bericht zu verfassen.
Sehr schönes Bike. Ich wünsche Dir viel Spaß damit und viele schöne Kilometer!
Glückauf
Kay
Dank Dir Kay!