Mein erster Radurlaub in 2018 ist leider längst schon wieder vorbei. Bevor er in Vergessenheit gerät kommt hier ein kurzer Rückblick aus meiner Sicht.
Es ging nach Cesenatico in der Region Emilia-Romagna an der sonnigen Ostküste Italiens. Cesenatico ist nicht nur der ehemalige Wohnort des legendären Radrennprofis Marco Pantani sondern war vor Jahrzenten auch das Jugend Trainingslager des RSC Dinslaken 1922 e.V. Ich hatte das Glück, mich in diesem Jahr an die mittlerweile nicht mehr jugendliche Gruppe dranhängen zu können, um gemeinsam knapp 2 Wochen Rennrad zu fahren. Einige der Mitfahrer verbringen seit vielen Jahren regelmäßig Ihren Radurlaub dort, daher habe ich quasi die Tour-Guides mitgebucht – soll heißen, dass die Routen für den nächsten Tag unter den Ortskundigen abgesprochen wurden. Ich konnte einfach hinterherfahren, ohne auf den Weg zu achten. Das war schon sehr komfortabel für mich, denn die Straßennamen und Ortsbezeichnungen hörten sich für mich nahezu alle gleich an.
Ein ausgeschildertes Radfahrnetz wie man es aus Deutschland kennt, gab es nicht oder ich habe es wegen meiner nicht vorhandenen Italienisch-Kenntnisse nicht erkennen können. Auf den 2 Trekkingrad-Touren, die ich während der Zeit mit meiner besseren Hälfte unternommen habe, wurde mir das sehr schnell bewusst. An jeder zweiten Ecke mussten wir anhalten, um den richtigen Weg in dem mitgenommenen Kartenmaterial und Google Maps nachzuschlagen. Auf allen gemeinsamen Fahrten in der Gruppe blieben mir solche Orientierungsversuche erspart, dadurch hat das Fahren einfach Spaß gemacht – vor allem bei der schönen Landschaft, die man nach den ersten Höhenmetern jeden Tag wieder neu entdecken konnte.
Gatteo A Mare
Cesenatico bzw. der Ort Gatteo A Mare wacht Mitte Mai gerade erst auf. Im Ortsinneren sind sicherlich als Einwohner das ganze Jahr über wach, aber entlang der Strände befinden sich jede Menge Hotels und Unterkünfte, die scheinbar erst zur Urlaubssaison wieder in Betrieb genommen werden. Außerhalb der Sommermonate wirkt der Großteil der Gebäude und Gastronomiebetriebe wie ausgestorben. Es gibt auch einige Hotels, bei denen man sich nicht vorstellen kann, dass dort noch einmal jemand wohnen wird und sogar verlassene Rohbauten, bei denen den Bauherren anscheinend irgendwann das Geld ausgegangen ist.
In den Hotels, die bereits wieder den Normalbetrieb aufgenommen haben, wohnen in der Vorsaison überwiegend Radfahrer. Das ist auf jeden Fall der Eindruck, den man bekommt, wenn sich nach dem Frühstück die verschiedenen Rennrad- oder Mountainbike-Gruppen in den Hoteleingängen für die anstehende Tagestour vorbereiten. An vielen Balkonen hängen die ausgewaschenen Radtrikots des Vortags und nach dem Mittagessen füllen sich die Banjos mit Radfahrern, die dort in voller Montur die Zeit bis zum Abendbrot überbrücken.
Unterkunft und Verpflegung
Unsere Gruppe hat im Hotel Spiaggia oder im verbundenen Nachbarhotel Capitol gewohnt. In Bezug auf Unterkunft, Verpflegung, Service hat es unser aller Ansprüche bei weitem übertroffen. Welchen Stellenwert Radfahrer für das Hotel hatten, kann man beispielsweise daran erkennen, dass die Kinderspielecke neben der Hotelbar übergangsweise zu Schrauberecke und Aufbewahrungsort für unsere Räder umfunktioniert wurde. Das Hotel organisierte eigene Ausfahrten, denen man sich anschließen konnte und auch wenn man auf eine Faust losfahren wollte, standen Tourbeschreibungen für fast jeden Anspruch zur Verfügung.
Die Doppelzimmer hatten eine gute Größe und waren modern eingerichtet. Die Einzelzimmer waren wohl deutlich kleiner, waren aber vollkommen ausreichend um darin zu schlafen. Als Verpflegung hatten wir Halbpension gebucht, allerdings bedeutet „Halbpension“ im Hotel Spiaggia nahezu Vollverpflegung. Neben Frühstück und Abendessen standen ab Mittags verschiedene Nudeln, Reis und unterschiedliche Saucen bereit, die man sich via Microwelle erhitzen konnte nachdem man von der Tour wieder zurück gekommen ist. Dazu gab es noch Kuchen, kalte Pizzastücke usw. – eigentlich gab es nur wenige Stunden am Tag, in denen man nichts essen konnte. Die regulären Malzeiten waren in Bezug auf die Auswahl und Qualität wirklich außergewöhnlich. In einem Urlaubshotel habe ich selten besser gegessen.
Auch unterwegs kann sich in der Gegend um Cesenatico gut verpflegen. Wenn einem das Wasser ausgegangen ist, kann man seine Wasserflasche an einem der Brunnen wieder auffüllen, die ca. alle 10-20 km an den Straßen stehen. Das Wasser ist stets kalt und sozusagen biogefiltert. Auf jeden Fall hab ich es 2 Wochen lang getrunken und bin nicht krank davon geworden. Darüber hinaus fährt man durch einige kleine Städte und Orte. Ein Ort besteht in der Regel aus einer Kirche, einem historischen Marktplatz und mehreren Eisdielen oder Kaffeebuden, in denen es den besten Cappuccino für unter 1,50 EUR gab.
Nach der Tour zu „Claudio“
Die erste Anlaufstelle nach der Tour war jedoch meistens nicht das Hotel, sondern eine der Strandbars, die sich in Cesenatico entlang des Strandes bzw. der Promenade aneinanderreihen.
Genauer gesagt war es das „Banjo Claudio“, das wohl auf früheren Fahrten ausgewählt wurde, weil es als einziges Banjo bereits zu Ostern geöffnet hatte und andere Banjos daraufhin gar nicht mehr in Betracht gezogen wurden. Aber nicht nur unsere Gruppe kehrt dort bereits seit Jahren ein, sondern auch viele andere Radfahrer – Claudio war immer gut besucht. Es gab Krombacher vom Fass und als kostenlose Beigabe immer ein paar Pizzastücke. Das war echt ein Segen nach 1000 Höhenmetern.
Touren rund um Cesenatico
Das wichtigste waren natürlich die gemeinsamen Ausfahrten, denn deswegen hat man ja die Entfernung von knapp 1300 km mit dem Auto auf sich genommen. Nach den ersten 15 km in Richtung des Landesinnere wurde man bereits mit schöner Landschaft belohnt. Während entlang der Küsten das Stadtbild von Tourismus geprägt ist, wird die Landschaft immer ursprünglicher, je weiter man sich von den Stränden entfernt. Die Aussicht wird noch schöner, wenn man auf einen der zahlreichen Berge hochfährt. Ab ca. 400 Höhenmetern hat man von den oftmals als Serpentinen angelegten Straßen einen tollen Blick in die Ferne herab auf die Orte, von denen man gekommen war oder zu denen man noch mal hinfahren sollte.
Woran man sich aber erst einmal gewöhnen muss, sind die Straßenzustände. Teilweise war die Fahrbahndecke schon stark reparaturbedürftig oder wurde bereits flickenteppich-mäßig repariert. Die Komplette Fahrbahn wird dort erst dann erneuert, wenn sie kaum noch befahrbar ist. Man muss also entsprechend vorsichtig und aufmerksam fahren und alle Bodenwellen und Schlaglöcher im Blick behalten. In der Gruppe geht das nur mit viel Vertrauen zum Vordermann und gegenseitigem Vorwarnen durch Handzeichen. Ein großer Vorteil ist aber, dass man nach den 2 Wochen fast jede Strecke für gut fahrbar einstufen würde. Man wundert sich zwar noch darüber, wenn eine Straße plötzlich in einem Schotterfeld endet oder die Fahrbahn fast nur noch aus Löchern besteht, aber es noch nicht einmal besonders genug um ein Foto davon machen zu wollen.
Sollte die Fahrt im nächsten Jahr auch wieder zu Stande kommen, wäre ich gerne wieder mit dabei. Vor allem weil ich noch den „Barbotto-Pass“ auf dem Zettel habe, der mit 506 immer steiler werdenden Höhenmetern und einer finalen Steigung von bis zu 18% zu den schwierigsten Anstiegen in der Gegend gehört. Eigentlich sollte diese Tour bereits in diesem Jahr stattfinden, sie wurde dann aber zu meinem Glück mehrheitlich abgesagt, nachdem wir uns auf dem Hinweg verfahren hatten und dadurch bereits knapp 600 HM auf dem Tacho standen. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht besonders traurig darüber – schließlich muss man sich auch noch Ziele für die Zukunft übrig lassen.